Mary Vetsera und der Mann, der ihre Knochen stahl

Es war eine der spannendsten Geschichten seines Lebens.

Ein Fremder erzählte dem Schriftsteller George Markus, dass er in Besitz der Knochen der Baronin Mary Vetsera sein. Er öffnete seine Brieftasche, zog einen Schädel aus dieser und platzierte ihn auf seinem Tisch. “Das ist Mary,” sagte der Mann, der sich als Helmut Flatzelsteiner, ein Möbelhändler aus Linz, vorstellte. Er überreichte Herrn Markus einige forensische Berichte, die sich mit dem Ableben einer Frau beschäftigten, die vor hundert Jahren verstorben sei. Laut den Zertifikaten hatte die Person unfassbar langes Haar, war 162cm groß und zur Zeit des Ablebens war sie 18 Jahre alt. All dies wurde von einem medizinischen Experten festgestellt, den Herrn Flatzelsteiner angeheuert hatte. Neben dem Schädel und dem Skelett, beschrieb der Bericht auch die Kleidung und die Schuhe, passend für eine junge Adelige ihrer Zeit.

Helmut Flatzelsteiner merkte an, dass zwei Burgenländer den Sarg von Mary Vetsera, die im Januar 1889 zusammen mit Kronprinz Rudolf im Mayerling starb, für 30.000 Schilling verkauft hatten. Die Burgenländer meinten, dass sie die Überreste aus der Krypta in Heiligenkreuz in einer Nebelnacht gestohlen hätten. Natürlich glaubte George Markus dem Herren nicht und erklärte ihn für verrückt. Aber als er die angegebenen Daten mit denen von Vetsera verglich, fiel ihm auf, dass sich einiges ähnelte: Die Baronin starb gute 100 Jahre zuvor, war ziemlich klein und 18 Jahre alt. Sie hatte langes Haar und wurde in der Kleidung begraben, die sie zu ihrem Todeszeitpunkt getragen hatte.

Herr Markus wusste, dass er den Fall nicht alleine lösen konnte, daher wandte er sich an einen bekannten Professor der Pathologie, Hans Bankl. Professor Bankl schaute sich zu erst die medizinischen Berichte an, dann Fotos, die Herr Flatzelsteiner von dem Skelett und der Kleidung gemacht hatte und stellte fest: “Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich hier wirklich um Mary Vetsera handelt!”

George Markus schrieb sofort einen Zeitungsbericht über den Fall der Grabräuber und noch bevor dieser publiziert wurde, verständigte er die Polizei. Am folgenden Tag wurde das Grab geöffnet. Reporter aus der ganzen Welt waren am 22.12.1992 vor Ort und es dauerte nicht lange bis festgestellt wurde, dass das Grab tatsächlich leer war.

Während seines Verhörs stellte sich heraus, dass Helmut Flatzelsteiner den Schädel nicht gekauft hatte, wie er angegeben hatte, sondern, dass er die zwei Männer angeheuert hatte, um die Knochen zu stehlen.

Ein Vierteljahrhundert später, rief Herr Markus den Schuldigen (auch Krypta Dieb genannt) an, der nun über 80 war und pensioniert. Als Herrn Markus ihn fragte, warum er es getan hat, sagte er “Seit meiner Jugend war ich an Geschichte interessiert und das ist auch heute noch so.” Zu dieser Zeit beschäftigte er sich mit dem Mysterium um Mayerling. “Historiker und Mediziner haben es vor mir versucht, aber es nie geschafft,” so Flatzelsteiner. Er hatte erfahren, dass Heiligenkreuz sich weigerte das Grab zu öffnen und so tat er es eben selber. Und tatsächlich, es ist ihm gelungen, dass dem Fall mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde, wenn auch auf eine unorthodoxe Art.

Zum Zeit ihres Ablebens gab es über den Todesfall viele Spekulationen, aber nachdem man die Knochen 1992 sozusagen zur Verfügung gestellt bekam, konnte festgestellt werden, dass die Liebhaberin des Kronprinzen Rudolfs an einem Kopfschuss starb. Und der Fakt, dass der damalige Thronfolger der Schuldige sei, sollte wohl vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben. Helmut Flatzelsteiner entkam dem Prozess, da die Knochen zurück in die Krypta gebracht wurden. Weitere Nachforschungen wurden durch Heiligenkreuz abgelehnt und so bleiben die anderen Geheimnisse weiterhin verborgen.

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